Rathaustelegramm März 2012 / Nummer 2

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Dieser Newsletter wurde am 24.03.2012 11:05:24 versendet
Oberstdorfer Wappen
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[Sehr geehrte Frau Maria Mustermann]


heute informiere ich Sie zur Thematik der Generalsanierung des Gymnasiums.

Ich freue mich, dass Sie sich Zeit nehmen und sich über die aktuellen Themen informieren.

Bitte geben Sie das Rathaustelegramm an Ihre interessierten Bekannten weiter.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr


Laurent O. Mies
1. Bürgermeister

1200

Im Jahr 2008 beschloss der Gemeinderat die Generalsanierung des Gymnasiums in einer Höhe von über 6 Millionen Euro, nachdem über Jahrzehnte keine Sanierungen stattgefunden hatten. Weiterführende Schulen, zu denen auch der Schultyp Gymnasium gehört, sind aufgrund ihrer Bedeutung und Kostenintensität Aufgabe der Landkreise. In ganz Bayern gibt es nur 12 Gymnasien, bei denen die Gemeinde so genannter Sachaufwandsträger und damit für die Investition und den Gebäudeunterhalt allein verantwortlich sind. Als verhältnismäßig kleine Gemeinde gehört auch Oberstdorf aufgrund der besonderen historischen Entwicklung der Schule zu diesen Gemeinden.
Der Schulstandort Oberstdorf weist damit – nachdem auch die Mittelschule etabliert ist – die Möglichkeit auf, alle Bildungsabschlüsse vor Ort zu absolvieren. Im Gegenzug sind wir Sachaufwandsträger für drei Schulen.

Bei den Planungen für die Generalsanierung wurde 2008 in öffentlicher Sitzung im Gemeinderat auch ein Anbau am nördlichen Eingangsbereich zur Nutzung als Pausenhalle vorgestellt. Es handelte sich dabei um eine zusätzliche Fläche, die nicht zur Generalsanierung gehört. Die zwar wünschenswerte Erweiterung wurde seinerzeit aus Kostengründen zurückgestellt. Eine grundsätzliche Entscheidung den Anbau zu errichten, traf das Gremium nicht, das Thema wurde jedoch mehrfach angesprochen. Im Herbst 2011 wurde der Gemeinderat dann darüber informiert, dass eine Entscheidung notwendig wird, ansonsten würde der Fortgang der Sanierungsarbeiten beim Eingang und der Fassade stocken. Insofern wurde im Dezember 2011 in öffentlicher Sitzung auf die Entscheidungsnotwendigkeit hingewiesen, wenn man den Bauzeitenplan und die Generalsanierung bei Kostenansatz einhalten wollte. In der Januar-Sitzung wurde der bereits 2008 vorgestellte und allen Beteiligten bekannte Planungsentwurf einer Pausenhalle wie angekündigt zur Entscheidung vorgelegt.

In der öffentlichen Sitzung am 19. Januar fasste der Gemeinderat den Beschluss, die Pausenhalle nicht zu errichten und stattdessen den Eingangsbereich zu sanieren.
Der Gemeinderat hatte sich in dieser Sitzung detailliert mit dem Gebäudevorschlag und seiner Nutzung sowie den finanziellen Belangen im Einzelnen und im Gesamtzusammenhang auseinandergesetzt. Der Elternbeirat und Vertreter der Schule wollten durch den befürworteten Anbau neben einem Zugewinn an Fläche für die Schulpausen auch einen Veranstaltungsraum erreichen, der für schulische Termine, wie Konzerte, Präsentationen etc. genutzt werden könnte. Nach den Beratungen ergab sich, dass die geplanten Räumlichkeiten dafür ungeeignet sind.
Ein weiterer Ablehnungsgrund waren die veranschlagten Kosten von 450.000 Euro.

Ich hatte mir einige Tage zuvor bei einem spontanen Besuch während der Schulpause einen Eindruck von der Aufenthaltssituation der Schüler gemacht und bin zu dem persönlichen Eindruck gelangt, dass eine Flächenmehrung nicht notwendig wäre. Bei einem Neubau würde man aufgrund einer aktuell gegebenen Verwaltungsvorschrift das Raumkonzept möglicherweise großzügiger gestalten, allerdings ist bei der Generalsanierung keine Raumvergrößerung für eine Pausenhalle vorgeschrieben. Selbstverständlich ist für mich der Wunsch der Schulleitung und des Elternbeirats nachvollziehbar, das Angebot der Schule über den geplanten Sanierungsaufwand hinaus räumlich zu verbessern.

Mit einigem Befremden las ich dann am 21. Januar den Artikel in der Zeitung „Windfang statt Pausenhalle“, mit einem Pressefoto, wo Schüler dicht an dicht gedrängt im Pausenraum stehen. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass extra für dieses Foto möglichst viele Kinder in die Pausenhalle geschickt wurden, um den beabsichtigten Eindruck von Enge zu vermitteln. Dies wurde mir dann auch von der Schulleitung so bestätigt, mit dem Hinweis, wie es in der Pausenhalle aussehen könne. Bei allem Respekt und ohne selbst Lehrer zu sein, habe ich angefragt, warum denn die Kinder in der Pause nicht ins Freie geschickt werden könnten, so wie es in meiner Kindheit üblich war. Hierfür seien die Pausen zu kurz und die Eltern würden dies nicht wollen, argumentierte die Schulleitung.

Nach der Sitzung im Januar war ebenfalls in der Zeitung zu lesen, dass die Ablehnung der ursprünglichen Planung des Gemeinderates „bei Schülern, Eltern und Lehrern“ auf Kritik stieß. Eine natürlich nachvollziehbare Mitteilung. Auf der anderen Seite hatte ich mit Schulleitung, Elternbeirat und Bauverwaltung ein Gespräch, in dem mir die Befürworter meiner ablehnenden Argumentation in der öffentlichen Januar-Sitzung Recht gaben. Gleichzeitig seien sie froh, dass es im Januar zu einer Ablehnung gekommen wäre, denn dies würde nun die Gelegenheit bieten, einen anderen Raumvorschlag zu bringen. Ich habe dem Elternbeirat zugesagt, den neuen Vorschlag in der Verwaltung zu überprüfen und dann gemeinsam mit ihnen zu besprechen.
Bis zu diesem Zeitpunkt lagen der Verwaltung keine Ausführungen der Schule oder Schulbehörden vor, die eine Beurteilungsgrundlage für schulpädagogische Konzepte ermöglicht hätte.

Der Vorschlag „Paula“ ging davon aus, dass man statt der für den ersten Entwurf geplanten 450.000 Euro, den neuen Entwurf für 350.000 Euro realisieren könnte. Bei der gemeinsamen Besprechung musste dann festgestellt werden, dass der Entwurf wohl eher Kosten von 525.000 Euro verursachen würde.
Um die Gesamtkosten während der Lebensdauer eines Gebäudes zu beurteilen, wendet die Praxis eine spezielle Berechnung an. Danach sind die Investitionskosten zusätzlich in etwa zu vervierfachen. Dieser Betrag ist dann der Gesamtaufwand für die Gemeinde, die ein neues Gebäude verursacht.

Den vom Elternbeirat verfolgten Vorschlag „Paula“ setzte ich dann wie abgesprochen auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung für den 15. März.

In den nächsten Tagen habe ich dann von vielen Klassen und Schülern des Gymnasiums vorgefertigte Unterschriftenlisten erhalten, mit denen gefordert wurde, sich mit der Pausensituation konkret auseinanderzusetzen. An die Klassensprecher wurden Plakate ausgegeben, die an die Mitschüler mit dem Hinweis verteilt wurden, sie ihren Eltern mit nach Hause zu bringen. Auch sollten sich Kinder in Listen eintragen, die an der Gemeinderatssitzung teilnehmen wollten.

Aufgrund der zuvor geschilderten Maßnahmen habe ich von einer „Instrumentalisierung der Kinder“ gesprochen. Ich respektiere den Einsatz, das Engagement und auch die Kreativität, wie hier in lebendiger Weise für Verbesserungen für das Gymnasium gearbeitet wurde.
Gleichzeitig möchte ich auch den jungen Persönlichkeiten nicht ihren eigenen Kopf mit eigenem Willen und eigener Einstellung absprechen.

Ich billige Jedem seine persönliche Meinung zu, lasse mir aber keine „Diffamierung“ vorhalten. Solche Vorwürfe überschreiten die Grenze des guten Geschmacks und des Anstandes. Insbesondere wenn man sich noch nicht einmal zur eigenen Meinungsbildung die Argumente während der Beratungen im Gemeinderat angehört hat.

In der Gemeinderatssitzung am 15. März fand sich dann für den Vorschlag „Paula“ kein Antragsteller. Stattdessen gab es von zwei Gemeinderäten, die grundsätzlich zu den Befürwortern einer Pausenhalle gehören, jeweils eigene Vorschläge, die für sich aber auch keine Mehrheit fanden.
Damit verblieb es bei der ablehnenden Haltung aus der Januar-Sitzung. Im Verfahrensablauf mag dies verwirrend erscheinen. Im Ergebnis gab es drei ablehnende Abstimmungen, die für die engagierten Befürworter sicherlich schmerzlich waren.
Die Entscheidung, eine wünschenswerte Verbesserung des Raumangebotes abzulehnen, ist – gerade bei schulischen Themen – sicher keine Willkür, schon gar keine „Basta-Politik“, sondern das Ergebnis eines Abwägungsprozesses jedes einzelnen Gemeinderates.

Der Sanierungs- und Renovierungsrückstau von kommunaler Infrastruktur beträgt bei uns in Oberstdorf geschätzte 52 Millionen Euro.
Offen sind in den nächsten Jahren die Sanierung der Turnhalle mit 1, 4 Millionen Euro und des Sportplatzes mit 200.000 Euro. Unzählige weitere dringende Beispiele, wie Hochwasserschutz, Straßen, Kanäle und Gebäudesanierungen sind zu nennen.

Hierfür fehlt schlicht und einfach das Geld – auch wenn es keiner mehr hören mag. Der Bund hat die Schuldenbremse ins Grundgesetz eingeführt, der Freistaat Bayern will in 30 Jahren schuldenfrei sein und auch die Eurokrise beschwört ständig das Thema einer soliden Haushaltspolitik. Und die Presse macht pauschal die Politiker dafür verantwortlich, dass es um unsere Finanzen so schlecht bestellt ist.

Unseren Haushalt für 2012 beschloss der Gemeinderat im Dezember 2011. Der geplante Haushalt wird aber täglich durch einzelne Entscheidungen, ob man etwas macht, oder nicht macht, umgesetzt.
Bei den begrenzten Mitteln geht es immer darum, das Notwendige von dem Wünschenswerten zu unterscheiden. Investiert man in die eine Sache, fehlt es woanders. Macht man das Eine, bekommen Andere weniger. Wir befinden uns in einem ständigen Verteilungskonflikt.

Für die Pausenhalle müsste man neue Schulden machen. Eine Neuverschuldung muss durch Abgaben von allen zurückgezahlt werden. Es gehört auch zur Generationengerechtigkeit heutzutage eine Neuverschuldung zu vermeiden, denn unsere heutigen neuen Schulden sind die Abgaben von morgen.
Es gilt immer noch die alte wirtschaftliche Regel, dass man nur das ausgeben kann, was man auch einnimmt.

In der Presse lese ich immer nur vom Sparen – sparen bedeutet aber, Geld zurückzulegen, das man hat, um es später auszugeben. Bei uns muss Sparen Verzicht bedeuten.

Mit der Investition in die Generalsanierung des Gymnasiums stemmt der Markt Oberstdorf eine gewaltige Last, die den Haushalt über mehrere Jahre dominiert.

Es bleibt die Frage offen, wann die Belastungsgrenze erreicht ist.
Eine solide Haushaltspolitik ist nur zu erreichen, wenn wir diese Frage beantworten und Notwendiges von Wünschenswertem trennen.

Bei aller emotionalen Auseinandersetzung sollte man fair und sachlich mit der Argumentation des Gegenübers umgehen.

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